Fünf neue Bilder
25.2. – 2.4.2017
Stefan Burger


RES AMISSA LUMINA ROMANA

Was bleibt von der Fotografie, in einer Zeit, die begonnen hat, sie zu vergessen?  Mir scheint, dass sich Stefan Burger, wenn ich jetzt darüber nachdenke, diese Frage im letzten Sommer gelegentlich gestellt hat, auch wenn seine Bilder selbst keine Antwort, sondern vielmehr die ›Ästhetik‹ dieser Frage liefern. Dass sie gestellt ist, wird dann weniger wichtig sein, als wie sie sich darstellt.

Auf den Fensterglasscheiben, des von Guy Debord beschriebenen Kauf- und Treibhauses, das er die Société du Spectacle nannte, kondensiert die Akkumulation des Kapitals in ihrer extremsten Abstraktion seelenlose Bilder. Betrachtet man die Vorgeschichte dieser Bildökonomie, hing zunächst nur irgendwo ein kleines Foto, 1835 mit Talbots ›Mausefalle‹ geschossen, eine Gitterfensterstruktur, wie auf dem Boden des Taylor Macklin, ein armseliger Erker. Das ›Urnegativ‹ war noch nicht spektakulär.

Man hat inzwischen gelernt, auch in den spektakulären Bildern die Sorge um ihre Produktion zu sehen, aber der Affirmation der Simulakren fehlt, bemerkt oder verdrängt, die alte Poesie. Aus der Perspektive der Kunst ist dies das Dilemma der Mode, ihre selbsterfüllende Prophezeiung ohne externe Utopie. Debords Bildtheorie wäre demnach nur die halbe Wahrheit, denn neben der Akkumulation müsste doch auch aus der absoluten Diminution der kapitalistischen conditio sine qua non in letzter Konsequenz ein Bild hervorgehen. Man könnte dann sagen, dass Stefan Burger den Effekt, der sich in der Bildwerdung akkumulierten Kapitals einstellt, weniger nachahmt oder ›appropriiert‹, als vielmehr auf eine Reversibilität zweites Grades hin testet. Dies wäre dann ein anderer Weg, eine Strategie, die jenseits der Affirmation des spektakulären Bildes als Inversion des Lebens operiert und Möglichkeiten der analogen Fotografie rettet. Warum aber diese Rettungsaktion?

Eine Hypothese: Licht ist für das fotografische Bild, was Zeit für das Leben ist. Es ist sein Sinn. In der Sorge um die Bilder, die im Dienste der Akkumulation des Kapitals steht, ist das Licht aber nicht dasjenige der Lebenszeit – es ist, wie dies Farocki in Ein Bild gezeigt hat, das Licht des Fotostudios selbst: eine professionelle (Be-)Lichtung. Die Profession verlangt jedoch eine öffentliche Deklaration, ein transparentes Handeln im Licht des Spektakels, what you see is not what you see, but what you get: moralische Bilder für Alle und Keinen. Dementgegen steht hier nicht die Perfektion einer Moral, sondern eine Rettung teils aberwitziger Phänomene zur Disposition: vergrößerte Luftblasen eingefasst in einem Acrylglasklodeckel, Projektionen durch eine Weissglasscheibe, in der das eine Glas ein anderes sichtbar werden lässt und somit zu einer Metonymie der Talbot’schen Linsen-Glas-Spiegelung führt, surrealistische Reminiszenzen auf dem Grund widerspenstiger Baryt-Papiere, sowie eine hypersensible Chromatik für Grautöne. Nicht einmal ein Desinteresse für die spektakulären Bilder, eher ein unbewusster Bilderverlust wird sich als Erfahrung nach der Betrachtung dieser Fotografien einstellen.

Die Künstlererfahrung war zuvor noch eine andere: Im letzten Jahr hatte sich Stefan Burger in einer partikulären Lichtsituation des ›zweithöchsten Punktes von Rom‹ eingerichtet. In Italien existierte schon vor der Geschichte des fotografischen Bildes – besonders in der Malerei von Correggio bis Morandi – ein ästhetisches Bewusstsein, dass es eine gewisse Beobachtungszeit zur verklärten Darstellung von Objekten, Farben oder ganzen Atmosphären bedürfe. Das gleißende Licht der vernebelten Emilia-Romagna oder Morandis abgeschattetes Studio in Bologna akkumulierten hierfür eigene Lebenszeit, bis sich in Entfaltung dieser Erfahrung an einem bestimmten Punkt die Zeit und das Licht wie eine Lasur und ein Luxus über die banalen Bildsujets legten. Diese Lebenszeit, verbracht in der Einsamkeit ›stiller Örtchen‹, kannte keine spektakulären Momente, aber sie brachte einen Vorteil für die Wahrnehmung mit sich: denn erst befreit von der Sorge um ein wirksames Bild und seine Deadline entstand auch in Rom ein ›Milieu‹, in dem der Fotograf eine Haltung einnehmen konnte, die nichts mehr mit surplusvalues zu tun hatte.

Wie die Zeit verging, lässt sich nur allegorisch einfangen – in meinen Augen am schönsten und eigentlich bar jeder Melancholie in dem rosagrundierten Bild einer grasgrünen Kerze aus der Cereria di Giorgio, die Stefan Burger für zwei Minuten belichtete, während sie sich selbst um wenige Millimeter verbrauchte. Zum privativen Raum wird hier die verweilte Zeit… Für Debord war das »Spektakel der Wächter des Schlafes«. Diese Kerze hier bewacht die endliche Lebenszeit. Ihr Ideal ist der versunkene Blick eines Tagtraums und nie die Fackel der Nation.


– Toni Hildebrandt

 

 


Ohne Titel; 2017; Baryt-Abzug; 123 cm x 88.5 cm; Unikat

 

 

 

 


Ohne Titel; 2017; Baryt-Abzug; 161 cm x 118 cm; Unikat/ Ohne Titel; 2017; Baryt-Druck; 139 cm x 154 cm; Unikat

 

 


Ohne Titel; 2017; Baryt-Abzug; 169 cm x 137 cm; Unikat

 

 

 


Ohne Titel; 2017; Baryt-Abzug; 198 cm x 134.5 cm; Unikat

 

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